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PDA: Ein tiefes Bedürfnis nach Autonomie – Ursachen, Auswirkungen und Strategien zur Unterstützung


Einführung

Über meine Arbeit mit Kindern, die Probleme mit dem Schulbesuch haben, vor allem Schulangst, Schulverweigerung und Schulabsentismus), stieß ich auf eine neue Bezeichnung - PDA ("Pathological Demand Avoidance"). Dieser Begriff beschreibt ein Verhalten, auf Anforderungen mit Abwehr zu reagieren.

Diese Definition wird den Kindern jedoch nicht gerecht. Ich wäre dafür, die Namensgebung dieses Verhaltens nochmal zu überdenken. Wie wäre es, PDA stattdessen mit "pervasives (tiefes, innewohnendes) Streben nach Autonomie" zu übersetzen, was den Fokus auf den eigentlichen Kern des Verhaltens legt: das tiefe Bedürfnis nach Selbstbestimmung.

Dann müssen wir uns noch über das Wort "pathologisch" in diesem Zusammenhang unterhalten. Aus meiner Sicht ist das Verhalten nämlich ganz und gar physiologisch. Zum Einen verhalten sich diese Kinder so, weil sie vermutlich, aus welchen Gründen auch immer, eine Traumareaktion haben, durch die der Furcht-Lähmungs-Reflex und der Moro-Reflex reaktiviert wurden. Diese Reflexe sind ja physiologisch angelegte Überlebensreflexe.

Pathologisch wären sie nur, wenn sie für immer bestehen blieben, doch da können wir ja über nervensystem-regulierende Maßnahmen einwirken, so dass sich die Intensität der Reaktion abschwächt und dadurch die Abwehrreaktion nachlässt. Insofern ist die Anwesenheit des "PDA"-Verhaltens zunächst mal aus einem lebensnotwendigen, also physiologischen, Überlebensreflex entstanden.

Die Rolle von Furcht-Lähmungs-Reflex und Moro-Reflex

Kinder mit PDA erleben oft einen intensiven inneren Widerstand gegen neue Anforderungen. Dieser Widerstand ist nicht willkürlich, sondern tief in ihren biologischen Reflexen verankert. Zwei zentrale Reflexe spielen dabei eine Rolle:

Furcht-Lähmungs-Reflex: Dieser Reflex ist eine frühkindliche Reaktion auf wahrgenommene Bedrohungen. Er führt dazu, dass das Kind in einer bedrohlichen Situation erstarrt und sich der Anforderung entzieht.

Moro-Reflex: Auch als Schreckreflex bekannt, wird dieser Reflex durch plötzliche Reize ausgelöst und führt zu einer Alarmreaktion des Körpers, begleitet von einem Anstieg der Stresshormone Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol.

Wenn diese Reflexe bei Kindern mit PDA aktiviert werden, können sie eine starke Angstreaktion hervorrufen, die es ihnen nahezu unmöglich macht, neuen Anforderungen nachzukommen. Ihre mentale Kapazität wird von der akuten Stressreaktion überlagert, was zu einer reduzierten Kooperationsbereitschaft führt.

Strategien zur Unterstützung: Vorlaufzeit und Autonomie

Eine der wirksamsten Strategien im Umgang mit Kindern, die unter PDA leiden, ist das Management von Anforderungen. Indem man Anforderungen frühzeitig ankündigt und ihnen genügend Vorlaufzeit gibt, kann die intensive Angstreaktion abgeschwächt werden. Wenn Kinder genau wissen, was auf sie zukommt, und ausreichend Zeit haben, sich mental darauf vorzubereiten, steigt ihre Bereitschaft zur Kooperation.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Art und Weise, wie Anforderungen präsentiert werden. Anstatt direkte Befehle zu erteilen, sollte man eher Angebote machen, die dem Kind Wahlmöglichkeiten lassen. Beispielsweise könnte man eine Auswahl von Aktivitäten in Form von Kärtchen präsentieren, aus denen das Kind selbst entscheiden kann, was es tun möchte. Diese Herangehensweise gibt dem Kind ein Gefühl der Kontrolle und reduziert das Stressniveau erheblich.

Die Vorteile von Eigenständigkeit

Es ist wichtig anzuerkennen, dass das Bedürfnis nach Autonomie nicht nur eine Herausforderung, sondern auch eine Stärke sein kann. Kinder mit PDA entwickeln oft einzigartige Fähigkeiten und Ideen, da sie sich nicht blind an Anweisungen halten. Diese Eigenständigkeit fördert ihre Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten.

Anxiety als Hauptursache

Der Schlüssel zum Verständnis von PDA liegt in der „anxiety“ (Angst), die durch die ständige Aktivierung des Furcht-Lähmungs- und Moro-Reflexes entsteht. Die Ausschüttung von Stresshormonen wie Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol führt zu einer Überforderung des Nervensystems. Diese Stresshormone beeinträchtigen die kognitiven Fähigkeiten und erschweren es den Kindern, Anforderungen zu bewältigen oder kooperativ zu reagieren.

Strategien zur Reduzierung von Anxiety

Um Menschen mit PDA zu unterstützen, ist das Management der Anxiety entscheidend. Hier sind einige bewährte Methoden:

Reflexintegrationstherapie: Methoden wie Quantum Reflex Integration (QRI), INPP (Institut für Neuro-Physiologische Psychologie) und RIT (Reflexintegrations-Therapie) zielen darauf ab, die frühkindlichen Reflexe zu integrieren und so die Stressreaktionen zu minimieren.

Yoga und Meditation: Diese Techniken fördern die Entspannung und helfen, das Nervensystem zu beruhigen.

Waldspaziergänge und digital detox: Natürliche Umgebungen und der Verzicht auf digitale Reize können das Stressniveau erheblich senken.

Morgen- und Abendrituale: Feste Rituale geben Sicherheit und helfen, den Tag strukturiert zu beginnen und abzuschließen.

Selbstbestimmung spielt hierbei eine zentrale Rolle. Indem man dem Kind die Kontrolle über seine Therapie und Aktivitäten gibt, fördert man seine Bereitschaft zur Teilnahme und reduziert gleichzeitig den Stress.

Akupunktur und Ganzheitliche Kindertherapie

Auch alternative Heilmethoden wie Akupunktur und Laserakupunktur können bei der Reduzierung von Anxiety hilfreich sein. Die ganzheitliche Kindertherapie, wie sie von Dorina Jacob angeboten wird, trägt über die Anwendung dieser und weiterer Methoden dazu bei, das Gleichgewicht im Körper wiederherzustellen und die Stressreaktionen zu mindern.

Adrenal Fatigue: Vermeidung und Behandlung

Ein langfristig hoher Stresspegel kann zu einer Erschöpfung der Nebennieren führen, bekannt als „adrenal fatigue“. Dieser Zustand tritt auf, wenn die Nebennieren nicht mehr in der Lage sind, ausreichend Stresshormone zu produzieren, was zu chronischer Müdigkeit, Schlafstörungen und anderen gesundheitlichen Problemen führen kann.

Zur Prävention und Behandlung von adrenal fatigue sind folgende Maßnahmen empfehlenswert:

Regelmäßige Ruhepausen: Ausreichende Erholung und Schlaf sind essenziell.

Stressreduktion: Durch Yoga, Meditation und Reflexintegrationstherapie kann der Stresspegel gesenkt und die Nebennieren entlastet werden.

Ernährung: Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitaminen und Mineralstoffen unterstützt die Funktion der Nebennieren.

Fazit

Das Management von Anxiety ist der Schlüssel zu einem stressreduzierten Leben für Menschen mit PDA und ihre Angehörigen. Indem man die Ursachen versteht und Strategien entwickelt, um die Stressreaktionen zu minimieren, kann man die Lebensqualität erheblich verbessern. Selbstbestimmung, frühzeitige Ankündigungen und Wahlmöglichkeiten sind dabei entscheidende Faktoren, die den Unterschied ausmachen können. Mit den richtigen Methoden und einer ganzheitlichen Herangehensweise können Kinder mit PDA ihre Autonomie positiv ausleben und sich gesund entwickeln.

 

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PDA und Schule: Herausforderungen und Lösungsansätze für ein stressfreies Lernen


Einführung

Pathological Demand Avoidance (PDA), besser übersetzt als „pervasives Bedürfnis nach Autonomie“, stellt eine besondere Herausforderung im schulischen Umfeld dar. Es wird geschätzt, dass nur etwa 30% der Kinder mit PDA als „schulfähig“ gelten. Dies liegt vor allem daran, dass der Schulalltag mit seinen ständigen Anforderungen, unerwarteten Reizen und sozialen Interaktionen oft eine überwältigende Belastung für diese Kinder darstellt. Im Folgenden wird erläutert, warum dies so ist und welche Strategien entwickelt werden können, um PDA-Kindern ein stressfreieres Lernen zu ermöglichen.

Warum die Schule eine Herausforderung darstellt

Kinder mit PDA haben aufgrund ihrer neurobiologischen Besonderheiten, insbesondere der Aktivierung des Furcht-Lähmungs-Reflexes und des Moro-Reflexes, oft Schwierigkeiten, auf Anforderungen angemessen zu reagieren. In einer Umgebung wie der Schule, in der Anforderungen allgegenwärtig sind, können diese Reflexe eine starke Abwehrreaktion auslösen, die sich auf verschiedene Weise äußern kann:

Rückzug (Flight): Das Kind zieht sich zurück, um den Anforderungen zu entkommen, was häufig als „Verweigerung“ interpretiert wird.

Aggression (Fight): Bei überwältigender Angst oder Frustration kann es zu aggressivem Verhalten kommen, als Schutzreaktion vor der empfundenen Bedrohung.

Einfrieren (Freeze): Das Kind kann in einem Zustand der Starre verharren und ist nicht in der Lage, auf Anweisungen oder Anforderungen zu reagieren.

Überanpassung (Fawning): Hierbei passt sich das Kind übermäßig an, um Konflikte zu vermeiden, was langfristig zu einer Überlastung und einem Verlust des Selbstgefühls führen kann.

Intensive Sinneseindrücke als zusätzliche Belastung

Neben den Anforderungen sind die intensiven Sinneseindrücke in einer Schule für PDA-Kinder oft schwer zu ertragen. Ein versehentliches Anrempeln im Flur, laute Geräusche, unerwartete Veränderungen wie Vertretungsunterricht oder die Umstellung des Klassenraums – all diese Reize können eine starke Überforderung und Stressreaktionen auslösen. Diese ständigen Reize führen dazu, dass das Nervensystem der Kinder ständig in Alarmbereitschaft ist, was es ihnen nahezu unmöglich macht, sich auf den Unterricht zu konzentrieren oder in einem normalen Schulumfeld zu bestehen.

Lösungsansätze: Kleine Klassen und eine reizarme Umgebung

Um PDA-Kindern das Lernen zu erleichtern, ist es entscheidend, die schulische Umgebung und den Unterricht an ihre Bedürfnisse anzupassen:

Kleine Klassen: In kleinen Klassen ist es leichter, auf die individuellen Bedürfnisse der Kinder einzugehen. Lehrer können eine engere Beziehung zu den Schülern aufbauen und schneller auf Anzeichen von Überforderung reagieren.

Reizarme Umgebung: Ein ruhiges, übersichtliches Klassenzimmer mit wenigen Ablenkungen kann das Stressniveau erheblich senken. Im Klassenzimmer sollten Ruheecken vorhanden sein, es sollte die Arbeit im Nebenraum ermöglicht werden. Auch kann es hilfreich sein, z.B. über das Auslegen von Teppichen oder das Anbringen schallabsorbierender Materialien den Lärmpegel reduzieren.

Kurzunterricht oder Heimunterricht: Für einige PDA-Kinder kann es hilfreich sein, den Unterricht auf kürzere Einheiten zu verteilen oder den Heimunterricht in Betracht zu ziehen. In einer vertrauten, kontrollierten Umgebung können sie sich besser konzentrieren und die Anforderungen besser bewältigen.

Rückzugsräume: In der Schule sollte es spezielle Rückzugsräume geben, in denen die Kinder ihr Nervensystem beruhigen können. Diese Räume könnten eine Höhlenecke mit weichen Kissen, taktilen Materialien, angenehmer Beleuchtung, beruhigenden Klängen und einer sanften Schaukel enthalten. Der Zugang zu solchen Räumen sollte den Kindern jederzeit ermöglicht werden.

Geräuschdämpfende Kopfhörer: In jedem Raum sollten geräuschdämpfende Kopfhörer zur Verfügung stehen, die den Kindern helfen, sich in einer ruhigen Umgebung auf ihre Aufgaben zu konzentrieren.

Nervensystem-regulierende Übungen im Schulalltag

Um das Stressniveau der Kinder zu senken und ihre Fähigkeit zur Selbstregulation zu fördern, sollten nervensystem-regulierende Übungen in den Schulalltag integriert werden. Dies könnten kurze Yoga- oder Atemübungen, achtsame Pausen oder gezielte Bewegungssequenzen sein, die den Kindern helfen, sich zu entspannen und zu zentrieren. Diese Übungen sollten regelmäßig angeboten werden, um den Kindern eine konstante Unterstützung zu bieten.

Fazit: Ein ganzheitlicher Ansatz für PDA-Kinder in der Schule

Kinder mit PDA benötigen eine besondere schulische Umgebung, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse eingeht. Kleine Klassen, eine reizarme Umgebung, individuelle Unterrichtsformen und Rückzugsräume sind essenziell, um ihnen ein stressfreies Lernen zu ermöglichen. Geräuschdämpfende Maßnahmen und nervensystem-regulierende Übungen sollten ebenso zum festen Bestandteil des Schulalltags gehören. Indem man diesen Kindern die Möglichkeit gibt, sich in einem sicheren und kontrollierten Umfeld zu bewegen, wird nicht nur ihre Kooperationsbereitschaft gefördert, sondern auch ihre langfristige Entwicklung und ihr Wohlbefinden gestärkt.

Wichtige Anmerkung:

PDA ist noch nicht als offizielle Diagnose nach dem ICD-10 anerkannt. Es wird vermehrt mit Autismus in Zusammenhang gebracht. Aus meiner Erfahrung tritt das unter PDA beschriebene Verhalten in unterschiedlicher Ausprägung aber auch ohne Autismus auf.

Nachfolgend kommt daher nun die Sicht der Psychologen zur Sprache. Hier ist noch nicht das letzte Wort gesprochen - Aus meiner Sicht gibt es in dem Zusammenhang noch viel zu erforschen und zu klären.

 

 

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PDA aus psychologischer Sicht: Merkmale und Verständnis


Einführung

Pathological Demand Avoidance (PDA) wird aus psychologischer Sicht als eine Profilvariante innerhalb des Autismusspektrums betrachtet. Es zeichnet sich durch ein starkes Bedürfnis nach Kontrolle und Autonomie aus, verbunden mit einer extremen Vermeidung von Anforderungen. Dies kann alltägliche Situationen erheblich beeinflussen und stellt sowohl Betroffene als auch ihre Umgebung vor besondere Herausforderungen.

Merkmale von PDA

PDA weist einige charakteristische Merkmale auf, die es von anderen Formen des Autismus abgrenzen:

1. Starker Widerstand gegen alltägliche Anforderungen: Menschen mit PDA zeigen häufig ein ausgeprägtes Vermeidungsverhalten, wenn es um alltägliche Aufgaben oder Anforderungen geht, selbst wenn diese scheinbar geringfügig oder trivial erscheinen.

2. Manipulatives Verhalten: Um Kontrolle über eine Situation zu erlangen, greifen Betroffene oft zu manipulativen Strategien. Dies kann von charmantem Überzeugen bis hin zu aggressivem Verhalten reichen.

3. Starke Stimmungsschwankungen: PDA-Betroffene können sehr schnell zwischen verschiedenen emotionalen Zuständen wechseln. Diese Stimmungsschwankungen sind oft eine Reaktion auf wahrgenommene Bedrohungen oder Anforderungen.

4. Vermeidung durch Rollenspiele und Fantasie: Kinder mit PDA nutzen oft ihre Fantasie, um sich in eine kontrollierbare Welt zurückzuziehen. Rollenspiele können dabei als eine Form der Flucht vor der Realität dienen.

5. Soziale Schwierigkeiten, aber starkes soziales Bewusstsein: Obwohl Betroffene soziale Schwierigkeiten haben können, zeigen sie oft ein starkes Bewusstsein für soziale Normen und Erwartungen. Sie können versuchen, diese Normen zu nutzen, um Kontrolle über ihre Umwelt zu gewinnen.

PDA im psychologischen Kontext

Aus psychologischer Sicht wird PDA als eine komplexe Reaktion auf das Erleben von Überforderung und Angst verstanden. Die extremen Vermeidungsstrategien sind häufig ein Versuch, die eigene Unsicherheit und Angst vor dem Verlust der Kontrolle zu bewältigen. Dieser Zustand kann durch die Reaktivität auf Anforderungen oder unvorhersehbare Ereignisse noch verstärkt werden.

PDA wird zunehmend als ein Profil im Autismus-Spektrum anerkannt, das spezifische Interventionen erfordert. Es hebt sich durch den Fokus auf die Vermeidung und die Notwendigkeit der Autonomie von anderen Autismus-Subtypen ab, was es notwendig macht, individuelle Ansätze zur Unterstützung zu entwickeln.

Schlussfolgerung

PDA ist ein einzigartiges psychologisches Profil, das besondere Strategien und ein tiefes Verständnis erfordert. Es ist wichtig, das Bedürfnis nach Autonomie und die Angstreaktionen der Betroffenen zu erkennen und diese in der psychologischen Unterstützung und im alltäglichen Umgang zu berücksichtigen. Ein einfühlsamer, individueller Ansatz ist entscheidend, um das Wohlbefinden und die Entwicklung von Menschen mit PDA zu fördern.